Wenn Managerinnen und Manager ihren Job verlieren oder freiwillig aufgeben, kommen sie oft in eine Phase der Selbstreflexion: Was ist mein nächster beruflicher Schritt? Will ich wieder in die Management-Mühle? Was interessiert mich eigentlich wirklich?
Für Führungskräfte, die bereits die 50 überschritten haben, stellt sich diese Frage besonders intensiv. Denn sie haben schon einen reichen Erfahrungsschatz und wissen zumindest, was sie nicht mehr wollen:
Diese Themen möchten Führungskräfte gern vermeiden, weil sie müde machen und sinnlos sind. Als Alternative hören wir in der Beratung oft den Wunsch nach einer selbstständigen Tätigkeit, bei der man sich seinen Arbeitstag frei einteilen kann, allein entscheidet und keine Vorgaben „von oben“ zu erfüllen hat.
Ich bin selbst vor 5 Jahren als Nachfolgerin des Firmengründers in ein bestehendes Beratungsunternehmen eingestiegen – nach 25 Jahren als angestellte Medienmanagerin. Seitdem berate ich Führungskräfte bei ihrer beruflichen Neupositionierung und habe eine besondere Leidenschaft dafür, andere in die Selbstständigkeit zu begleiten. Das geschieht sehr verantwortungsvoll und unter Abwägung aller Vor- und Nachteile.
Folgende Punkte sind es, die nach meiner Einschätzung zu bedenken sind, bevor man den Schritt in die Selbstständigkeit geht:
1. Die Geschäftsidee und der Business Plan
Welches Problem löst meine Idee? Wie kann ich daraus ein Geschäft aufbauen oder ein bestehendes Unternehmen übernehmen? Wieviel Konkurrenz gibt es schon? Was sind meine Alleinstellungsmerkmale, womit grenze ich mich von Wettbewerbern ab? Diese Fragen stehen oft am Anfang unserer Beratung, und wir gehen mit unseren Klienten in kreative Prozesse, um sie bei der Ideenfindung zu unterstützen und eine konkrete Vision für ihre Selbstständigkeit zu erarbeiten. Die sich auch rentieren muss – ohne einen realistischen Businessplan geht nichts! Das gilt ganz besonders unter Corona Bedingungen, denn Geschäftsideen für von der Krise betroffene Branchen (z.B. Tourismus, Gastronomie, Kultur), sind derzeit leider nicht zu realisieren.
2. Die eigene Persönlichkeit
Sind sie eher ein auf Sicherheit bedachter Mensch oder gehen sie gern ein Risiko ein? Können sie mit dem Gedanken an schwankende Einnahmen leben? Brauchen sie einen klar strukturierten Arbeitstag? Können sie sich schnell entscheiden und dann auch entsprechend handeln? Sind sie vertriebsstark?
Die Frage, ob man eher der Angestellten-Typ ist oder sich persönlich für die Selbstständigkeit eignet, ist entscheidend für das weitere Vorgehen – etwa dafür, ob sie alleine gründen oder sich Partner suchen, die komplementäre Eigenschaften haben. Und manchmal hilft hier ein klarer Blick von außen mehr als die optimistische Einschätzung von Freunden „Du schaffst das schon!“
3. Das familiäre Umfeld
Nach meiner Einschätzung ist dies die am meisten unterschätzte Frage bei der Vorbereitung einer Selbstständigkeit. Denn sie werden am Anfang ihrer Selbstständigkeit mehr arbeiten als vorher, eventuell zu unkonventionellen Zeiten am Schreibtisch sitzen und beim Abendessen voller Begeisterung den Business Plan diskutieren wollen. Wer dann einen Partner oder eine Partnerin hat, dem das alles zu viel wird, muss sich heimlich an den Schreibtisch schleichen und findet zu Hause keinen adäquaten Gesprächspartner. Daher vergewissern sie sich, ob ihre Partnerin oder ihr Partner die Selbstständigkeit mitträgt und sie unterstützt, auch wenn es zu schwierigen Situationen kommt. Das sollte zwischen ihnen unbedingt ein Gesprächsthema sein – und zwar bevor sie den entscheidenden Schritt in die Selbstständigkeit gehen.
4. Die finanziellen Reserven
Sie haben genau drei Monatsgehälter Puffer und müssen dann wieder Geld verdienen? Ganz klar: Das reicht nicht. Wenn sie sich selbstständig machen möchten, sollten sie für einige Monate, am besten für das ganze erste Jahr eine finanzielle Reserve haben. Denn speziell am Anfang kann es dauern, bis sie die erste Rechnung schreiben können (und auch bis sie bezahlt wird). Selbstständigkeit muss man sich leisten können. Das gilt besonders in Zeiten von Corona, da sich krisenbedingt die Anlaufzeit ihres Geschäftes verzögern kann.
5. Das eigene Netzwerk
Sie sind seit Jahren in Sozialen Medien aktiv, sind Mitglied in zwei Branchenverbänden, spielen Hockey im besten Verein der Stadt und sind Rotary-Member? Gut. Sie werden das Netzwerk brauchen – nicht nur um Kunden zu gewinnen, sondern auch um geeignete Kooperationspartner und Dienstleister zu finden. Und um gelegentlich eine neue Produktidee auszuprobieren, bevor sie in Serie geht. Ein belastbares Netzwerk hilft. Es lässt sich nicht schnell aufbauen, sondern muss wachsen – daher sollten sie unbedingt rechtzeitig strategische Kontakte aufbauen. Das funktioniert in der momentanen Situation vornehmlich über digitale Kanäle.
6. Die Leidenschaft
Brennen Sie für ihre Geschäftsidee? Lesen Sie auch in Ihrer Freizeit gerne Fachliteratur, haben Sie Spaß daran, ihren Businessplan zu optimieren, leuchten ihre Augen, wenn sie anderen von ihren Plänen erzählen? Leidenschaftlich für sein Business einzustehen ist wichtig – denn sie werden nicht nur Geld, sondern auch viel Zeit und Energie investieren in ihr Geschäft. Ihre Passion wird für andere spürbar werden, ihre zuversichtliche und begeisterte Ausstrahlung überträgt sich auch auf potenzielle Kunden. Leidenschaft ist der beste Vertriebsmotor! Das gilt unabhängig von Corona zu jeder Zeit.
Insgesamt gibt es also eine ganze Reihe von Kriterien, die erfüllt sein sollten, bevor sie den Sprung in die Selbstständigkeit wagen. Wenn sie die bekannten Krisenbranchen vermeiden und ein tragfähiges Konzept haben, können sie in Corona-Zeiten genauso gründen wie zuvor auch.
Claudia Michalski
Geschäftsführerin
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